EUROPA LIVE – “e-tandem Europa”

 

Das Projekt „e- Tandem Europa“ wurde von der europäischen Kommission im Jahr 2001, dem Jahr der Sprachen, besonders gefördert. Die Ruhruniversität Bochum (DE) koordiniert seither das Projekt in Zusammenarbeit mit dem internationalen Tandemnetzwerk. (International Tandem Network).

Die Idee, zwei Personen regelmäßig zusammenkommen zulassen, damit sie die Sprache des anderen erlernen, ist aber ganz und gar nicht neu.  Schon seit 1994 erproben über 30 europäische Universitäten, Schulen und andere Institutionen E-Tandems als Fremdsprachenlernmethode in verschiedenen EU Projekten und erzielen hervorragende Ergebnisse.

E-Tandem ist eine Telelernvariante, die mittels E-Mail, Telefon und Videokonferenz durchgeführt wird. Wie jeder Austausch funktioniert ein E-Tandem  nur dann gut, wenn beide Partner davon profitieren können: gelernt wird von dem was der Partner in seiner Muttersprache schreibt oder sagt, anhand der Informationen über aktuelle landes- und kulturkundliche Themen und landesübliche Sitten, durch die Fehlerkorrekturen und die Ratschläge, die man erhält und gibt.

Sprachlernen im Tandem ist also interkulturelles, kooperatives Lernen und erfordert einen bestimmten Grad an Lernerautonomie.

Tandemlernen per Mail mag in manchen Punkten einer Brieffreundschaft ähneln, ist aber ganz und gar nicht dasselbe. Anders als bei einer Brieffreundschaft hat im Tandem der gegenseitige Austausch  der Partner und das „Aneinander-Lernen“ Vorrang.

Beide Sprachen werden gleich stark eingesetzt. Auch die gegenseitige sprachliche Unterstützung spielt eine große Rolle. Jeder Lerner muss den gleichen Nutzen aus dem Austausch ziehen können und darf sich genau soviel Hilfe erwarten wie er gibt.

Der Erfolg des Tandems hängt vom Beitrag beider Partner ab. Das setzt Engagement, Ernsthaftigkeit, Ehrlichkeit und Gefälligkeit voraus.

Jeder Lerner muss in jedem Schreiben seine Muttersprache und die Fremdsprache in gleichem Ausmaß verwenden. Das ist Teil des Austauschprinzips, das vorsieht, dass jeder Lerner dem Partner soviel geben muss wie er selbst erhält. Jeder Lerner ist in erster Linie selbst für seinen Lernprozess verantwortlich und legt mit Hilfe des Lehrers Lernziele und Lernmethoden fest, um sicherzustellen, dass der Austausch für beide Partner so vielfältig und gewinnbringend wie möglich ist.

Tandemlernen bedeutet Engagement und Disziplin, wenn es um die Einhaltung des Zeitplans für die vorgesehenen Aktivitäten geht,  Hilfsbereitschaft dem Tandempartner gegenüber, wenn es gilt Schwierigkeiten zu überwinden und Probleme zu lösen, Empathie, um das richtige Maß beim Einsatz der Muttersprache zu finden, Neugier und Initiative, um am sprachlichen Modell des Partners lernen zu wollen.

Diese Lernaktivität wird seit Beginn des Schuljahres 2003/2004 mit einer Deutschgruppe der IIA Klasse des Liceo Tron in Schio (Italien) und einer Italienischgruppe der 2AK Klasse der Bundeshandelsakademie Oberndorf (Österreich) erprobt.

Am Beginn stand ein reger E-Mail-Austausch zwischen den unterrichtenden Lehrerinnen, um die Arbeitsmodalitäten und  Lernziele auszuarbeiten und festzulegen. Hauptanliegen war, den italienischen und österreichischen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, durch den Einsatz der neuen Medien mit authentischen Sprachmodellen in Kontakt zu kommen, um das Sprachlernen effizienter zu gestalten, um interkulturelle Aspekte zu vertiefen, um zu motivieren und um autonomes Sprachlernen zu ermöglichen.

Nach dem Austausch der Jahresstoffverteilungen für die beiden Klassen wurden die zu behandelnden Themen und - besonders wichtig - der Zeitplan für das ganze Schuljahr festgelegt. Es wurde vereinbart, dass jedes Mail zum Teil in der Muttersprache und zum Teil in der Zielsprache verfasst werden soll, damit die Lerner beide sprachlichen Modelle für die metasprachliche und kontrastive Reflexion heranziehen können.

Eine wesentliche Rolle wurde auch der Fehleranalyse eingeräumt. Performanzfehler (der Schüler kennt die Struktur zwar, hat sie aber falsch verwendet) sollen von den  SchülerInnen durch einen vereinbarten Farbcode von Kompetenzfehlern (der Fehler ist eingetreten, weil der Schüler die Struktur noch nicht kennt) bewusst unterschieden werden können. Die wichtigsten von den jeweiligen muttersprachlichen Tandempartnern durchgeführten Korrekturen werden dazu auf verschiedenfärbige Kärtchen geschrieben und in die Unterrichtsstunde mitgebracht.  Aus schwierigen bzw. neuen Strukturen entstehen „Strukturmosaike“, die der aktuellen Sprachkompetenz der SchülerInnen entsprechen („interlanguage“) und in der Klasse als Plakate aufgehängt werden.

Eine Projektphase soll die Prinzipien von „learning by doing“ verwirklichen: die Schüler können die Kenntnissen, die sie bezüglich österreichischer und italienischer kulinarischer Spezialitäten erworben haben, in einem Koch-Workshop praktisch umsetzen.

Ein weiterer Teil des Projekts sieht einen Informationsaustausch über den Heimatort vor, über Feste und volkstümliche Traditionen.

Das E-Tandem-Projekt wird durch einen Schüleraustausch abgeschlossen werden. Für diesen Projektteil ist auch fächerübergreifender Unterricht geplant, aus dem sich bilinguale Unterrichtsphasen ergeben werden. Der österreichische Chemielehrer würde dabei die italienischen und österreichischen Tandempartner, die gemeinsam Experimente durchführen, Informationen und Daten austauschen und einen Schlussbericht schreiben, auf Deutsch unterrichten, Physik würde auf Italienisch unterrichtet mit Experimenten und Schlussberichten auf Italienisch. Online-Zusammenarbeit soll den sprachlichen und sachliche Lerneffekt weiter vertiefen.

Die Schüler helfen sich gegenseitig bei Verständnisproblemen und beim Verfassen der Schlussberichte in den beiden Sprachen.

  

Schio und Oberndorf,  März 2004

Liceo Tron, Dott.ssa Rossana Eberle und Bundeshandelsakademie Oberndorf, Dr. Michaela Rückl